Hilfe für „Bambi“: Wie Freiwillige im Kreis Südliche Weinstraße Rehkitze vor dem Mäh-Tod bewahren

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Wenn ein Team von Freiwilligen um Oswald Mohn und Frank Allein, stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Schatzmeister der Kreisgruppe Südliche Weinstraße im Landesjagdverband Rheinland-Pfalz, im Sommer zwischen 4 und 5 Uhr morgens über die Wiesen des Landkreises streift, dann tut es das nicht allein deshalb, weil die Stimmung zur sogenannten blauen Stunde etwas Mystisches hat.

Sie tun es im Auftrag von Landwirtinnen und Landwirten – und im Auftrag des Tierschutzes. Denn gemeinsam suchen sie im dichten Gras mit Hilfe einer mit Wärmebildkamera ausgestatteten Drohne nach Rehkitzen, um diese vor Verletzungen oder gar dem Tod durch Mähwerke zu retten. Ehrenamtlich, versteht sich. Landrat Dietmar Seefeldt hat sich vor Kurzem zu früher Stunde ein Bild von diesem Einsatz der besonderen Art gemacht.

Rehmütter verstecken ihren Nachwuchs regelmäßig im hohen Wiesengras, um ihn vor Fressfeinden zu schützen. Die Gefahr lauert jedoch nicht selten von anderer Stelle, etwa wenn in der Landwirtschaft Tätige ihre Wiesen im (Früh-)Sommer mit den Mähwerken mähen. Die Landwirte müssen nach dem Tierschutzgesetz und dem Naturschutzgesetz darauf achten, dass die Tiere dabei unversehrt bleiben.

Da die Kitze im hohen Gras mit bloßem Auge oft nicht erkennbar sind, können sich die Landwirtinnen und Landwirte im Kreis Südliche Weinstraße vor einer Mahd an die Kreisjagdgruppe SÜW wenden, die vorab – unterstützt von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern – mit Drohnen bei der Suche nach den Kitzen hilft und diese in Sicherheit bringt. Pro angefangene Flugstunde wird von den Auftraggebern ein Unkostenbeitrag von 20 Euro erhoben. Das Geld fließe in den Unterhalt der Drohnen, so Mohn.

Die Zusammenarbeit mit den Landwirtinnen und Landwirten laufe gut, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Kreisgruppe der Jäger: „Das Gleiche gilt für die Jagdpächter, deren Einverständnis wir vor jedem Einsatz einholen müssen, da wir uns die Tiere nach dem Jagdgesetz aneignen, auch wenn wir sie nur vorübergehend in Kisten setzen und nach der Mahd wieder freilassen.“

Als Landrat Dietmar Seefeldt einen frühmorgendlichen Einsatz der Kitzretter bei Herxheim begleitet hat, konnten diese zwei Tiere aus dem Gras sichern. Der Landrat bedankte sich bei den Drohnenpiloten, den Ehrenamtlichen und den Landwirtinnen und Landwirten für ihr Engagement und ihre gute Zusammenarbeit ganz im Sinne des Tierschutzes: „Sie sind mit entsprechender Technik, Herz und Idealismus dabei – und das zu so früher Morgenstunde.

Hut ab!“ In dieser Mahdsaison, die in der Regel je nach Witterung zwischen sechs und sieben Wochen andauert, hat das Rettungsteam um Mohn und Allein insgesamt 172 Kitze im Einsatzgebiet gesichtet und 57 von ihnen gesichert. Die restlichen Tiere haben sich selbstständig von der jeweiligen Wiese entfernt.

Rund 50 freiwillige Helferinnen und Helfer
Informiert ein Landwirt oder eine Landwirtin die beiden Koordinatoren Mohn und Allein über eine geplante Mahd, sprechen sich die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer – mittlerweile sind 50 von ihnen bei der Kitzrettung SÜW registriert – über eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe ab, wer Zeit hat zu helfen. Von der Erzieherin bis zur Apothekerin unterstützen nach Angaben Mohns hauptsächlich Frauen mit dem gemeinsamen Interesse an der Natur die Drohnenpiloten.

Sie werden über Funk zu den in der Wiese gefundenen Wärmepunkten navigiert, nehmen die Kitze mit behandschuhten Händen vorsichtig auf, setzen sie in mit Gras gefüllte Kisten, dunkeln sie mit noch mehr Gras und einem Deckel ab und tragen sie von der Wiese zu einem schattigen Plätzchen, bis die Mahd vorüber ist. In der Regel ist das nach einer Stunde der Fall, bei größeren Flächen kann es auch mal länger dauern. „Da die Mutter ihr Kitz alle vier bis fünf Stunden säugt, achten wir gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten darauf, dass die Mahd so schnell wie möglich abgeschlossen ist“, so Mohn.

Nicht selten seien die Tiere in den Boxen so entspannt, dass sie noch ein paar Minuten liegen bleiben, nachdem der Deckel von der Kiste genommen wurde.

Aber warum die Einsätze in eine Zeit legen, zu der die meisten Menschen noch schlafen? „In den frühen Morgenstunden ist die Bodentemperatur noch relativ kühl, und man kann die Rehe gut mit der Wärmebildkamera erkennen. Später am Tag erwärmt die Sonne aber auch Ameisenhaufen und Maulwurfshügel, sodass wir die Wärmequellen auf der Kamera nicht mehr gut unterscheiden können“, erläutert Mohn.

Übrigens profitieren nicht nur kleine Rehe von den Einsätzen, wie er berichtet: „Wir haben auch schon Igel, Junghasen und Fasanengelege aus der Wiese geholt und an einen sicheren Ort gebracht.“ Bei Fasanengelegen kümmert sich der Jagdpächter.

So kamen die Jäger zur Kitzrettung
Angefangen hat alles im Jahr 2020. Streng genommen bereits 2019, denn in diesem Jahr kamen in einem Revier im Landkreis bei der Wiesenmahd fünf Kitze ums Leben. „Ein Jagdpächter kam im Jahr darauf auf mich zu und fragte, was man tun kann, damit so etwas nicht mehr passiert“, erinnert sich Oswald Mohn.

Der passionierte Jäger stieß bei seiner Recherche auf einen Bericht über einen Drohneneinsatz mit Wärmebildkamera. Sein Interesse war geweckt. Zumal bisherige Maßnahmen von landwirtschaftlich und jagdlich Tätigen, die Rehe vor den Mahden von den Wiesen zu vertreiben, nicht von nachhaltigem Erfolg gekrönt waren. „Früher wurden Stecken auf die Wiesen gestellt, mit Papier und Plastiksäcken umwickelt. Diese haben bei Wind Geräusche gemacht.

Die Geiß – so nennt man bei Rehen das Muttertier – fühlte sich dadurch gestört und führte ihren Nachwuchs zunächst von der Wiese. Allerdings kam es schnell zu Gewöhnungseffekten, sodass die Tiere sich dann doch wieder auf der Wiese aufhielten“, so Mohn. Als das Bundeslandwirtschaftsministerium 2021 dann ein Förderprogramm für Drohnen aufgelegt hat, entschloss sich die Kreisgruppe SÜW, ein solches Gerät anzuschaffen, ein Jahr später eine weitere – wieder über den Bund gefördert. Mittlerweile hat die Kreisgruppe der Jäger vier Geräte in SÜW und darüber hinaus stationiert: in Schweighofen, Essingen, Herxheim und Neustadt-Duttweiler. „Diese kommen im kompletten Kreisgebiet zum Einsatz“, versichert Oswald Mohn.

Doch bevor die Drohnen genutzt werden dürfen, gibt es einiges zu beachten: Die Drohnenpiloten müssen einen speziellen Führerschein machen, die Geräte beim Luftfahrtbundesamt registriert werden. Für das kommende Jahr ist die Anschaffung einer neuen Wärmebilddrohne unter anderem mit einer höheren Wärmebildauflösung und einer längeren Batterielaufzeit geplant, als Ersatz für die 2022 angeschaffte Drohne. Solch ein Gerät hat seinen Preis.

Laut Mohn habe die in diesem Jahr beschaffte Drohne 8000 Euro gekostet, wovon 4000 Euro über ein Förderprogramm des Bundes bezuschusst wurden. Darüber hinaus fallen laufende Kosten an wie für die Haftpflichtversicherung oder die jährliche Inspektion. „Deshalb freuen wir uns umso mehr, wenn wir für unsere Rehkitzrettung Spenden erhalten“, so Mohn. Die Erfolge werden im Übrigen gemeinsam bei einem Helferfest gefeiert.

Kontakt
Ansprechpartner für die Kitzrettung bei der Kreisgruppe Südliche Weinstraße im Landesjagdverband Rheinland-Pfalz sind Oswald Mohn, Telefon 0170 9617830, und Frank Allein, Telefon 0170 7742794.

Spenden
Wer die Kitzretter unterstützen möchte, kann auf folgendes Konto spenden: Kreisjagdgruppe SÜW, IBAN DE55 5485 0010 0000 0361 29 (Sparkasse Südpfalz), Verwendungszweck „Kitzrettung“. Eine Spendenquittung wird auf Wunsch ausgestellt.

Text und Bild: Kreisverwaltung Südliche Weinstraße

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